LKSG, CSRD, CSDDD, Sorgfaltspflichten. Das klingt alles so sperrig und abgehoben. Dahinter liegen jedoch echte Situationen von echten Menschen.
Beim LKSG geht es letztendlich darum, würdige Arbeitsbedingungen zu schaffen. Wie du an den Fällen unten siehst, ist das gar nicht so einfach. Aber genau darin liegt der Reiz unserer Arbeit.
#1 Besuch in einer Metallfabrik in einer ländlichen Region in China.
Als ich die Fabrik betrete, sehe ich das Baby auf dem Boden liegen. Die Mutter geht wie selbstverständlich ihrer Tätigkeit nach. Sie lackiert Kerzenhalter aus Metall. Ich bin als Nachhaltigkeitsmanagerin tätig. Zu meiner Rolle gehört, die Lieferanten in China regelmäßig zu besuchen und Arbeitsstandards zu prüfen.
An diesem Tag bin ich mit einer chinesischen Kollegin gereist. Die Fabrik ist ländlich gelegen. Es gibt auch Unterkünfte auf dem Fabrikgelände, wo Mitarbeitende wohnen.
Ich spreche den Fabrikmanager auf das Baby an und er versteht nicht so richtig, was mein Problem ist. Ich merke, dass wir uns in verschiedenen Welten bewegen.
Für den Manager gibt es bzgl. der Sicherheit des Babys kein Problem. Die Mutter sieht verängstigt aus, als sie bemerkt, dass wir über sie und ihr Kind sprechen.
Wie sind wir mit dem Fall umgegangen?
In diesem Fall hat sich das Unternehmen, für das ich unterwegs war, entschieden, in Zukunft nicht mehr mit der Fabrik zusammenzuarbeiten. Die Auftragsmengen waren gering. Die Ressourcen, die man hätte investieren müssen, zu groß.
Was habe ich durch diesen Fall gelernt?
Das Thema Sozialstandards ist nicht schwarz und weiß, sondern oft grau und damit komplex.
Internationale Arbeitsstandards gelten nicht überall, auch wenn Länder Abkommen ratifiziert haben oder nationale Gesetze bestehen.
Die Beurteilung von Arbeitsstands, also was zulässig ist und was nicht, ist komplex. Das zeigt dieser Fall, denn was passiert mit dem Kind, wenn die Mutter nicht arbeiten kann?
Alle Akteure der Lieferkette bewegen sich in ihrer eigenen Welt. Sie bringen ihre individuelle Sichtweise auf die Dinge mit.
Manchmal entscheiden sich Unternehmen dazu, keine Ressourcen in Arbeitsstandards zu investieren.
#2 Heimarbeit in einer Textilfabrik in China.
Zusammen mit meiner chinesischen Kollegin besuchen wir eine Textilfabrik. Es fällt uns schnell auf, dass die Ware nur verpackt wird. Es wird nichts produziert.
Nach einigen Fragen an die Fabrikleitung erfahren wir, dass die Produktion woanders stattfindet. Frauen stellen die Kleider in ihren Häusern her. In Heimarbeit.
Wir dürfen die Frauen, die die Ware herstellen, besuchen. Sie leben in kleinen Häusern. Mit der geringen Vergütung, die sie erhalten, verdienen sie sich etwas zu ihrer Rente dazu.
Wir wissen nicht, ob noch andere Familienmitglieder mitarbeiten.
Wie sind wir mit dem Fall umgegangen?
Als wir mit dem Fabrikmanager sprachen, sagte er, dass die Praxis der Heimarbeit in der gesamten Region verbreitet sei. Ein Wechsel in eine andere Fabrik würde keine Veränderung darstellen.
Wir haben versucht herauszufinden, wie lange die Frauen arbeiten und welchen Lohn sie erhalten. Genauso haben wir den Fabrikmanager auf die Arbeitssicherheit und das Risiko für Kinderarbeit hingewiesen. Unser Ziel war es, die Bedingungen für die Frauen zu verbessern. Jedoch war das schwierig, weil sie keine Arbeitsverträge hatten und auch an keinen interessiert waren.
Was habe ich von diesem Fall gelernt?
Es gibt Praktiken, die in gesamten Branchen verbreitet sind. In diesem Fall ist es Heimarbeit, es kann sich aber auch andere Praktiken handeln.
Lieferant*innen zu besuchen ist sehr wertvoll. Ich hätte diese Informationen nie vom Schreibtisch aus erfahren und an den Einkauf vermitteln können.
Es sind nicht die Nachhaltigkeitsmanager*innen, die entscheiden. Am Ende muss das einkaufende Unternehmen entscheiden, wie mit solchen Fällen umgegangen werden soll.
#3: Kinderarbeit in einer Fabrik in China
Bei einem Sozialaudit stellen wir fest, dass ein 15-jähriger Mitarbeiter in Vollzeit arbeitet. In China liegt das Mindestalter für Beschäftigung bei 16 Jahren.
Im Gespräch mit dem Jugendlichen berichtet er uns, dass er mit der Schule fertig ist und gerne arbeiten will. Er fühlt sich wohl in der Fabrik. Er wird bald 16 Jahre alt und weiß nicht so richtig, was er in der Zwischenzeit machen kann. Mit der Schule ist er ja schon fertig.
Die Eltern des Jugendlichen sind mit seiner Arbeit einverstanden. Der Fabrikmanager ist einverstanden, weil er ja bald 16 wird.
Wie sind wir mit dem Fall umgegangen?
Wir haben uns mit dem Jugendlichen, dem Fabrikmanager und den Eltern des Jugendlichen zusammengesetzt und eine Lösung erarbeitet. Der Jugendliche erhielt bis zu seinem 16. Geburtstag sein Gehalt weiter, durfte aber nicht arbeiten. Als er dann 16 wurde, nahm er seine Arbeit wieder auf.
Was habe ich dabei gelernt?
Dieser Fall wurde aus verschiedenen Gründen erfolgreich gelöst:
Der Lieferant war für das Unternehmen wichtig und hat somit die Ressourcen bereitgestellt, um eine effektive Lösung zu erarbeiten.
Der Lieferant war am Erhalt der Beziehung sowie an der weiteren Beschäftigung des Jugendlichen interessiert und konnte den Lohn weiterzahlen.
Fachpersonen haben diesen Fall begleitet, die Maßnahmen koordiniert und die Umsetzung regelmäßig geprüft. Der Prozess wurde professionell begleitet.
Abschluss:
In jeder Lieferkette gibt es Missstände. Ich habe von 3 Fällen aus China berichtet. Missstände gibt es jedoch überall.
Fragen, die uns weiterbringen sind:
Wollen wir die Missstände sehen?
Sind wir geschult, diese zu erkennen?
Sind wir bereit, Ressourcen zu investieren, um sie abzustellen?
Arbeitsstandards zu verbessern ist ein Prozess.
Einkäufer*innen haben die Chance, bei jedem Gespräch und Besuch mehr über die Arbeitsstandards bei Lieferanten herauszufinden.
Sie können durch kluge Fragen ein Gefühl entwickeln, ob die Arbeitsbedingungen den geltenden Gesetzen entsprechen. Sie können dadurch effektive Maßnahmen einleiten. Und Arbeitsstandards verbessern.
Bei Etika befähigen wir Einkäufer*innen, kluge Fragen zu stellen, um ein gutes Bauchgefühl zu Arbeitsstandards zu entwickeln. Damit stoßen sie wertvolle Verbesserungsprozesse an.
Mehr zu unserer Arbeit und Schulungen findest du unter www.etika.io.
Photo by Rio Lecatompessy on Unsplash
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